Jolanta Krzysztoforska-Doschek

TADEUSZ NOWAKS URSLAWISCHE WELT

Zusammenfassung

    Die Lyrik von Tadeusz Nowak vermittelt uns immer wieder den Eindruck, dass er mit den urslawischen religiösen Vorstellungenso umgegangen wäre, als ob er ihren Sinn richtig verstanden hätte. Der Dichter selbst kam sehr oft auf sein Interesse für das Alte und Volkstümliche zu sprechen, wie z.B. in einem Gespräch mit Zbigniew Taranienko im Mai 1973, in dem er von einer alten Frau, die ihn, wie er sagt, in die Welt der Magie eingeführt hatte erzählt und auch seinen letzten Kontakt mit der Urzeit schildert. Die ürtumliche Atmosphäre beeindruckte Nowak schon in seiner Kindheit und bestimmte später die von der heimatlichen Landschaft und dem Leben des Volkes geprägte Thematik seines 1953 einsetzenden lyrischen Schaffens, so etwa im Gedicht Kolêda mi³o¶nika lubego, das in seinem 1962 publizierten Zyklus Kolêdy strêczyciela zu finden ist. Diese leidenschaftliche Romanze zwischen der Prinzessin von der Burg und dem Knecht vom Dorf ist eine direkte Anspielung auf die Tradition und Philosophie des Volkes. Inhaltlich greift es oft auf das urslawische heidnische Lied zurück, ganz im Widerspruch zur üblichen Interpretation des im Titel des Gedichts aufscheinenden Wortes kolêda als eines christlichen religiösen Liedes, dafür im Sinne der Auffassung, dass es sich bei den so genannten Liedern um ursprünglich heidnisches Erbe handelt. Motive (Burg, Knochenmesser, Vogel im Ton) und Diktion (mi³o¶nik luby, s³odki mi³o¶nik, podp³omyki) des Gedichts versetzen den Leser in meist nicht näher bestimmte uralte Zeiten. Von einigen Elementen, Motiven oder Schlüselwörter allerdings wissen wir aus den von Ivanow, Toporov, und Katici_ bereits rekonstruirten Textfragmenten, dass sie urslawischen Alters sind, wie ³asica, z³oto, góry i doliny, kalina, most oder das Motiv des Apfelrollens.
    Kolêda mi³o¶nika lubego von Tadeusz Nowak ist eine hervorragende Bestätigung einerseits für die starke Beziehung des Dichters zur Volkskultur und seine Vorliebe für uralte Traditionen, Inhalte und sogar Phraseologie, andererseits ist es ein grossartiger Beweis für das überdauern urslawischen Kulturguts bis in heutige Zeiten, in diesem Fall in der polnischen Lyrik. Die oft alterümliche Wortwahl und die Phraseologie des Gedichts tragen wesentlich zu seiner opetischen und ästhetischen Wirkung bei. Die neuesten Erkenntnisse aber befähigen uns, die urslawischen Wortfügungen als solche zu erkennen, und geben so Anlass für eine neue, unkonventionelle Interpretation.